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Tierschutzgesetz verbietet es, einem Hund im Rahmen seiner Ausbildung erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen

Datum: 15.04.2019

Kurzbeschreibung: 

Tierschutzgesetz verbietet es, einem Hund im Rahmen seiner Ausbildung erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen

Der 4. Senat für Bußgeldsachen unter dem Vorsitz von Sabine Roggenbrod hat in einem heute veröffentlichten Beschluss vom 28. März 2019 klargestellt, dass das Tierschutzgesetz es verbietet, einem Hund im Rahmen seiner Ausbildung erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Der Senat hatte über die Rechtsbeschwerde eines Tiertrainers und Inhabers einer Hundepension zu entscheiden, gegen den das Amtsge-richt wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Hundeverordnung Geldbußen von insgesamt 4.000 € verhängt hatte.


Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wirkte der Betroffene in sechs Fällen auf Hunde, die er zu betreuen hatte, ein, um sie zu erziehen. So schlug er einen Hund mehrfach mit der Hand auf den Kopfbereich, weil er gebellt hatte. Infolge der Schläge erlitt der Hund Schmerzen und jaulte. Einen anderen Hund, der eine Mitbewohnerin angesprungen hatte, trat er kräftig in die Seite, wodurch der Hund Schmerzen erlitt. Drei Hunde brachte er in Kellerräumen seines Wohnhauses unter, ohne dass eine natürliche Lichtquelle vorhanden war. Die Hunde waren teilweise angeleint oder in Transportboxen gesperrt. Einen anderen Hund fixierte er mit einer einen Meter langen Leine an einem Heizkörper seines Wohnhauses. Diese Unterbringung der Hunde war nur durch dreimal tägliche Ausführungen unterbrochen.


Der Betroffene erklärte vor dem Amtsgericht, dass er keine Hunde schlage. Hunde seien vielmehr seine Leidenschaft. Er trainiere Hunde bzw. helfe Menschen, eine Beziehung zu Hunden herzustellen. Nur wenn ein Hund aggressiv sei, ergreife er Maßnahmen, um ihn körperlich zu disziplinieren. Er habe Hunde nur nachts oder zu Trainingszwecken in Boxen gesperrt. Beispielsweise habe er die Hunde vom Rudel ausgeschlossen, damit sie korrektes Verhalten im Rudel erlernen. Im Keller hätten die Hunde Tageseinflüsse mitbekommen. Das Amtsgericht stützte seine von den Angaben des Betroffenen abweichenden Feststellungen im Wesentlichen auf die Aussagen dreier Zeugen. Diese haben be-kundet, das Verhalten des Betroffenen gegenüber den Hunden beobachtet zu haben. Das Amtsgericht bewertete das Verhalten des Betroffenen als drei vorsätzliche Verstöße gegen Vorschriften der Tierschutz-Hundeverordnung über das Halten von Hunden in Räumen und einen Verstoß gegen Vorschriften der Tierschutz-Hundeverordnung über das Halten von Hunden in Anbindehaltung. Es verhängte für jeden Verstoß jeweils eine Geldbuße von 500 €. Das Schlagen und Treten des Hundes bewertete das Amtsgericht als vorsätzliches Zufügen erheblicher Schmerzen zum Nachteil eines Wirbeltieres. Deswegen verhängte es zwei weitere Geldbußen von jeweils 1.000 €.


Gegen das Urteil des Amtsgerichts wandte sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde. Der beim Oberlandesgericht mit der Sache befasste Einzelrichter hatte die Rechtssache zur Fortbildung des Rechts dem Senat für Bußgeldsachen in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Der Senat hatte auf die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil des Amtsgerichts in einem schriftlichen Verfahren (nur) auf Rechtsfehler zu überprüfen.


Soweit das Amtsgericht gegen den Betroffenen vier Geldbußen wegen Verstößen gegen die Tierschutz-Hundeverordnung verhängt hatte, hat der Senat die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen. Die Tierschutz-Hundeverordnung schreibt unter anderem vor, dass bei Räumen, in denen Hunde gehalten werden, der Einfall natürlichen Tageslichts sichergestellt sein muss. Zudem darf ein Hund in Räumen, die ihrer Zweckbestimmung nach nicht dem Aufenthalt von Menschen dienen, nur gehalten werden, wenn eine ausreichende Bodenfläche vorhanden ist, die sechs Quadratmeter nicht unter-schreiten darf. Beides war nach den Feststellungen des Amtsgerichts im Keller des Betroffenen, in dem die Hunde in Boxen untergebracht oder angeleint waren, nicht der Fall. Ein Hund darf nach der Tierschutz-Hundeverordnung in Anbindehaltung nur gehalten werden, wenn die Anbindung über eine Laufvorrichtung verfügt, die mindestens sechs Meter lang und so bemessen ist, dass sie dem Hund einen seitlichen Bewegungsspielraum von mindestens fünf Metern bietet. Das war nach den Feststellungen des Amtsgerichts bei dem Hund, der am Heizkörper angeleint war, nicht der Fall. Der Senat wies darauf hin, dass die Tierschutz-Hundeverordnung nach dem Willen des Verordnungsge-bers Mindestanforderungen zur Befriedigung wesentlicher Grundbedürfnisse des Hundes – insbesondere nach Bewegung und Gemeinschaft – begründet, von denen die Hundehalter auch zum Zweck der Erziehung nicht abweichen dürfen.


Soweit das Amtsgericht das Schlagen bzw. Treten zweier Hunde ahndete, hob der Senat das Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück. Das Verhalten des Betroffenen ist nur dann eine Ordnungswidrigkeit, wenn es zu erheblichen Schmerzen des Tieres führt. Das Amtsgericht hatte sich nicht mit der Frage befasst, ob die Schmerzen, die die Tiere infolge der Behandlung des Betroffenen erlitten haben, erheblich waren. Sollte dies der Fall sein, kann das Verhalten nicht durch die vom Betroffenen verfolgten erzieherischen Zwecke gerechtfertigt sein. Wie der Senat in seinem Beschluss näher begründete, soll die Regelung des § 3 Satz 1 Nr. 5 des Tierschutzgesetzes im Interesse eines ethischen Tierschutzes gewährleisten, dass die Ausbildung von Tieren stets mit maßvollen Mitteln und ohne erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für die Tiere geschieht. Die Durchführung einer solchen Ausbildung ist deshalb kein vernünftiger Grund, der es rechtfertigt, einem Tier erhebliche Schmerzen zuzufügen.


Im Rechtsbeschwerdeverfahren hatte der Betroffene zudem auf Fallkonstellationen hingewiesen, in denen seiner Meinung nach nur eine mit erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden verbundene Ausbildung einen Hund davor bewahren kann, dass er wegen seiner ansonsten bestehenden Gefährlichkeit auf behördliche Anordnung getötet wird. Der Senat hält es zwar für denkbar, dass die Anwendung solcher Methoden dann erlaubt ist, wenn die Chance auf den Erhalt des Lebens des Hundes im Einzelfall wesentlich höher zu bewerten ist als das Interesse an der Beeinträchtigung seines Wohls durch die mit Schmerzen oder Leiden verbundene Ausbildung. Eine solche Konstellation lag aber nach den Feststellungen des Amtsgerichts gerade nicht vor.


Soweit der Senat die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen hat, ist kein weiteres Rechtsmittel mehr statthaft.


Aktenzeichen:
Amtsgericht Tettnang: 6 OWi 37 Js 8940/18 – Urteil vom 29. Juni 2018
Oberlandesgericht Stuttgart: 4 Rb 15 Ss 1089/18 – Beschluss vom 28. März 2019


Relevante Vorschriften:



Auszug aus dem Tierschutzgesetz:

§ 3 Satz 1
Es ist verboten
(…)
5. ein Tier auszubilden oder zu trainieren, sofern damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind,
(…).


§ 18
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1. einem Wirbeltier, das er hält, betreut oder zu betreuen hat, ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt,
(…)
3. einer (aufgrund bestimmter Vorschriften des Tierschutzgesetzes) erlassenen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,
4. einem Verbot nach § 3 Satz 1 zuwiderhandelt,
(…).
(4) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 (…) Nummer 4 (…) mit einer Geld-buße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro, (…) geahndet werden.


Auszug aus der Tierschutz-Hundeverordnung:

§ 5 Anforderungen an das Halten in Räumen
(1) Ein Hund darf nur in Räumen gehalten werden, bei denen der Einfall von natürlichem Tageslicht sicherge-stellt ist. (…)
(2) Ein Hund darf in Räumen, die nach ihrer Zweckbestimmung nicht dem Aufenthalt von Menschen dienen, nur dann gehalten werden, wenn die benutzbare Bodenfläche den Anforderungen des § 6 Abs. 2 [danach muss unter anderem abhängig von der Widerristhöhe des Hundes mindestens eine Bodenfläche von 6 m² zur Verfügung stehen] entspricht.
(…)


§ 7 Anforderungen an die Anbindehaltung
(1) Ein Hund darf in Anbindehaltung nur gehalten werden, wenn die Anforderungen der Absätze 2 bis 5 erfüllt sind.
(2) Die Anbindung muss
1. an einer Laufvorrichtung, die mindestens sechs Meter lang ist, frei gleiten können,
2. so bemessen sein, dass sie dem Hund einen seitlichen Bewegungsspielraum von mindestens fünf Me-tern bietet,
3. so angebracht sein, dass der Hund ungehindert seine Schutzhütte aufsuchen, liegen und sich umdrehen kann.
(…)


§ 12 Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 (…) des Tierschutzgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
(…)
4. entgegen § 5 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 oder § 7 Abs. 1 (…) einen Hund hält (…).

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