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Pressegespräch des Oberlandesgerichts Stuttgart: Präsident Dr. Franz Steinle begrüßt die im Haushaltsentwurf vorgesehenen Neustellen für die Justiz

Datum: 19.01.2017

Kurzbeschreibung: 

Bei dem heutigen Pressegespräch des Oberlandesgerichts Stuttgart stellte Präsident Dr. Franz Steinle die Statistik des vergangenen Jahres 2016 vor und gab – zusammen mit Vizepräsidentin Agnes Aderhold – einen Ausblick zu wichtigen Themen des Jahres 2017.

I.

In Zivilsachen – ohne Familiensachen – sind während des Jahres 2016 insgesamt 2.695 Berufungsverfahren gegen Urteile der Landgerichte eingegangen. Das sind 144 Verfahren bzw. 5,6 % mehr als im Jahr 2015. Demgegenüber waren die Eingänge im Bereich der Beschwerdeverfahren leicht rückläufig und sanken von 1.433 auf 1.366 Verfahren, was einem Minus von 4,7 % entspricht.

In Familiensachen waren im Jahr 2016 1.462 Rechtsmittel gegen Hauptsacheentscheidungen und 1.359 sonstige Beschwerdeverfahren zu verzeichnen. Ob sich der Trend der Vorjahre zu leicht rückläufigen Verfahrenszahlen in diesem Bereich auch im vergangenen Jahr fortgesetzt hat, lässt sich aufgrund der momentanen vorläufigen Zahlen allerdings noch nicht genau sagen.

In Strafsachen waren in den meisten Verfahrensarten teils deutliche Anstiege zu verzeichnen. Bei den – gerade auch zeitlich sehr aufwändigen – erstinstanzlichen Staatsschutzverfahren hat sich die Zahl der Eingänge von drei Verfahren im Jahr 2015 auf sechs Verfahren im Jahr 2016 verdoppelt. Derzeit sind fünf Staatsschutzverfahren anhängig und für das erste Quartal 2017 bereits zwei weitere angekündigt. Wie viele Verfahren darüber hinaus von der Bundesanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart im laufenden Jahr zur Anklage gebracht werden, ist derzeit noch nicht abzusehen.

Eine steigende Tendenz war auch im Rechtsmittelbereich zu verzeichnen. Die Zahl der Revisionen gegen Strafurteile (in der Regel gegen Berufungsurteile der kleinen Strafkammern bei den Landgerichten) stieg von 276 auf 350 um 26,8 %. Gegen Urteile der Amtsgerichte in Bußgeldverfahren gingen 597 Rechtsbeschwerden ein; gegenüber den 489 Verfahren des Vorjahres bedeutet dies eine Zunahme um 22,1 %. Die Zahl der Beschwerdeverfahren stieg von 812 auf 847 um 4,3 %; eine Ausnahme bildeten insoweit die Beschwerden in Strafvollzugssachen, die sich von 111 auf 47 Verfahren mehr als halbierten. Die Zahl der Auslieferungssachen nahm von 230 auf 302 Verfahren um 31,3 % zu. Besonders deutlich fiel der Anstieg bei den Haftprüfungsverfahren aus: In diesem Bereich stiegen die Eingänge von 76 auf 134 Verfahren, was einen Zuwachs um 76,3 % bedeutet.

Die vorgenannten Zahlen sind vorläufig und müssen noch – z.B. um Abgaben innerhalb des Gerichts – bereinigt werden. Die endgültigen Zahlen wird das Statistische Landesamt in einigen Wochen zur Verfügung stellen.

II.

Die im Haushaltsentwurf vorgesehen Neustellen begrüßte der Präsident des Oberlandesgerichts, Dr. Franz Steinle, als „wichtigen ersten Schritt zu einer bedarfsgerechten Personalausstattung der Justiz“. Die Bediensteten empfänden es „als Zeichen der Wertschätzung, wenn sich die Politik dieser Aufgabe mit dem notwendigen Stellenwert annimmt“, so Dr. Steinle weiter. Für den Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart seien nach derzeitigem Stand 18 neue Stellen für Richterinnen und Richter vorgesehen. Hiervon gingen zwei Stellen an das Oberlandesgericht für die Verstärkung der Staatsschutzsenate. Die weiteren 16 Stellen würden auf die insgesamt acht Landgerichte und 56 Amtsgerichte im OLG-Bezirk verteilt.

Vor diesem erfreulichen Hintergrund sei die Justiz in verstärktem Maße darauf angewiesen, qualifizierten Nachwuchs zu gewinnen, führte Präsident Dr. Steinle weiter aus. Um die Qualität der baden-württembergischen Justiz auf dem jetzigen hohen Niveau zu halten, sollte daran festgehalten werden, nur die Besten eines Referendarsjahrgangs einzustellen. Jedoch konkurriere die Justiz mit der freien Wirtschaft, insbesondere mit zahlungskräftigen Unternehmen und Wirtschaftskanzleien. Zu diesem Ungleichgewicht trage bei, dass die Eingangsbesoldung in den ersten drei Berufsjahren derzeit um 8 % abgesenkt sei. Es sei daher dringend erforderlich, so Dr. Steinle, die Absenkung – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – möglichst zügig rückgängig zu machen, um die Attraktivität der Justiz als Arbeitgeber zu erhalten.

Präsident Dr. Steinle wies darüber hinaus auf die große Herausforderung im Zusammenhang mit der für 2018 geplanten flächendeckenden Einführung der elektronischen Akte im Zivilrecht hin. Im laufenden Jahr 2017 seien hierfür die aufwändigen Vorbereitungen zu treffen. Auch für die elektronische Akte in Straf- und Bußgeldverfahren, für die derzeit noch ein Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene laufe, hätten das Ministerium der Justiz und für Europa und das IuK-Fachzentrum Justiz, das beim Oberlandesgericht Stuttgart angesiedelt ist, bereits mit der Projektierung begonnen.

Die Vizepräsidentin des Oberlandesgerichts, Agnes Aderhold, stellte die Umsetzung der Notariats- und Grundbuchamtsreform als eine „gewaltige logistische Aufgabe des Jahres 2017“ vor: Zum Jahreswechsel 2017/18 müssten etwa 425 Fachhochschuljuristen und 500 Assistenzkräfte von den württembergischen Notariaten zu einem Gericht wechseln. 233 Notariate würden zum Jahresende 2017 geräumt und besenrein zurückgegeben. Das führe zugleich dazu, dass „hunderte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab dem Beginn des Jahres 2018 in einer neuen Dienststelle arbeiten und vielleicht weitere Wege in Kauf nehmen müssen“.

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