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Herbst 1817 - Vor 200 Jahren bekommt das oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Württemberg seinen Sitz in Stuttgart - Einladung zu einer "Spurensuche zur Stuttgarter Justizgeschichte vom Marktplatz ins Justizviertel"

Datum: 27.09.2017

Kurzbeschreibung: 

Im Herbst 2017 werden es 200 Jahre, dass das oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Württemberg seinen Sitz in Stuttgart hat. Mit einer Justizverordnung vom 23. September 1817, veröffentlicht im Staats- und Regierungsblatt am 27. September 1817, wurde unter König Wilhelm I. das Obertribunal - Vorgänger des Oberlandesgerichts - in Stuttgart errichtet. Dessen Vorgänger - Hofgericht bzw. Oberappellationstribunal - hatten bis dahin über 300 Jahre im Rathaus in Tübingen getagt. Bereits am 13. November 1817 war der Umzug soweit vollzogen, dass im Staats- und Regierungsblatt mitgeteilt werden konnte „Alle an das Königl. Obertribunal und Ehegericht gehörigen Eingaben und Berichte sind von heute an nach Stuttgart zu übersenden“. Damit war ein wichtiges Element im Aufbau der Dritten Gewalt, der im Kern über die wechselvolle Geschichte des 20. Jahrhunderts hinweg bis heute Bestand hat, eingerichtet. Bis zum Bezug eines Neubaus im Justizviertel an der Urbanstraße im Oktober 1879 hatte das Obertribunal seine Räume in der „Neuen Kanzlei“, dem sogenannten „Stockgebäude“ in der Königstraße in Stuttgart.

Aus diesem Anlass lädt das Oberlandesgericht Stuttgart im Rahmen von drei öffentlichen Führungen interessierte Bürgerinnen und Bürger zu einer

 Spurensuche zur Stuttgarter Justizgeschichte vom Marktplatz ins Justizviertel“ ein.

 Folgende Termine stehen zur Auswahl:

                                                Mittwoch, 11. Oktober 2017, 16:00 Uhr

                                               Freitag, 13. Oktober 2017, 16:00 Uhr

Montag, 13. November 2017, 16:00 Uhr


 Treffpunkt jeweils am Marktbrunnen, Marktplatz, Stuttgart, Dauer ca. 2 h


 Es wird gebeten, sich für die Rundgänge bei Interesse unter

pressestelle@olgstuttgart.justiz.bwl.de

anzumelden.

Bei dieser Spurensuche trifft man auf Gebäude und Orte, an denen die Justiz in Stuttgart tätig war bzw. ist. Einige - sehr subjektiv ausgewählte - Biografien stehen für die vielen Menschen, die im Laufe der Zeit für die Justiz in Stuttgart tätig waren. Weiter werden u. a. die Reformen Wilhelms I., die Reichsjustizgesetze von 1877, die Justiz im Dritten Reich, sowie der „Neubeginn“ 1945 Themen des Rundgangs sein.

 Weitere ergänzende Informationen:

 Das Obertribunal erhielt 1817 zunächst drei Senate: An die Stelle des bisherigen Oberappellationstribunals trat ein Zivilsenat. Neu geschaffen wurde ein „Criminalsenat“ als „Appellationsinstanz“. Jeder Senat hatte einen Direktor und sechs Räte. Eine dritte Abteilung bildete das „Ehegericht der evangelischen Confessionsverwandten“ mit acht Räten. 1818 wurde noch der sog. „Pupillensenat“ hinzugefügt, der letztinstanzlich in „Pupillensachen“, also Vormundschaftssachen zu entscheiden hatte. Diese Gerichtsverfassung erwies sich im Kern über 60 Jahre lang als beständig.

 An diesem Gerichtsaufbau der Reformen Wilhelms I. änderte sich erst in Folge der Reichsgründung von 1871 wieder etwas Grundlegendes: nach langen Vorarbeiten und politischen Diskussionen wurden im Jahr 1877 die Reichsjustizgesetze verabschiedet, die einheitlich am 1. Oktober 1879 in Kraft traten. Es handelte sich um das Gerichtsverfassungsgesetz, die Zivilprozessordnung, die Strafprozessordnung, die Konkursordnung, die Rechtsanwaltsordnung und die Rechtsanwaltsgebührenordnung, wie man sie im Wesentlichen, wenn auch mit zahlreichen Änderungen oder unter anderen Bezeichnungen, heute noch kennt. Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) führte den heute noch bestehenden viergliedrigen Gerichtsaufbau ein. Als Eingangsinstanzen waren Amts- und Landgerichte vorgesehen, als oberste Instanz in den Ländern die Oberlandesgerichte (§§ 12, 115 ff GVG). Darüber stand als oberster Gerichtshof des Reichs das Reichsgericht in Leipzig (bis 1945). Heute ist der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.

 In Württemberg wurde diese Vorgabe des Reichs durch ein Ausführungsgesetz zum Reichsgerichtsverfassungsgesetz von Januar 1879 umgesetzt. Es bestimmte u. a., dass an die Stelle des Obertribunals das Oberlandesgericht treten sollte; in einer Verordnung vom Mai 1879 wurde als dessen Sitz (weiterhin) Stuttgart bestimmt. Dieser Gerichtsaufbau hat - über die wechselvolle Geschichte des 20. Jahrhunderts hinweg - bis heute Bestand.

 Der (historische) Bezirk des Obertribunals und später des Oberlandesgerichts Stuttgart umfasste immer schon ganz Württemberg: zunächst die Bezirke der 1819 errichteten Kreisgerichtshöfe in Ellwangen, Esslingen (ab 1869 Stuttgart), Tübingen und Ulm. Zum 1. Januar 1869 wurden die Bezirke des - 1932 wieder aufgelösten - Landgerichts in (Schwäbisch) Hall und der heutigen Landgerichte Heilbronn, Ravensburg sowie Rottweil neu gebildet. 1923 wurde das zu jener Zeit preußische Landgericht Hechingen, das bis dahin zum Bezirk des Oberlandesgericht Frankfurt/Main gehört hatte, aufgrund eines Gerichts-Gemeinschaftsvertrags zwischen Preußen und Württemberg dem Oberlandesgericht Stuttgart zugeordnet. Diese 1923 erreichte örtliche Ausdehnung des Bezirks des Oberlandesgerichts Stuttgart besteht - nach zeitweiligen Änderungen in der Nachkriegszeit, die den Besatzungszonen geschuldeten waren und ganz geringen Änderungen im Rahmen der Verwaltungs- und Gebietsreform der 1970er Jahre - seit 1953 wieder bis heute.

 Heute ist das Oberlandesgericht Stuttgart - neben zahlreichen Sonderzuständigkeiten - sachlich als Berufungs- und Beschwerdeinstanz für Zivil- und Familiensachen, als Revision- und Beschwerdeinstanz in Strafsachen sowie als Beschwerdeinstanz für Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig. Im Staatsschutzstrafrecht verhandelt das Oberlandesgericht auch als erste Instanz. Am Oberlandesgericht sind zur Zeit (Stand September 2017) 113 Richterinnen und Richter tätig, davon ein Präsident, eine Vizepräsidentin und 24 Vorsitzende. Das Gericht hat sechs Strafsenate (zugleich Senate für Bußgeldsachen), 21 Zivilsenate (davon fünf Familiensenate), einen Senat für Landwirtschaftssachen, einen Kartellsenat, einen Senat für Baulandsachen, einen Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen und einen Senat für Entschädigungs- und Wiedergutmachungssachen.

Außerdem gehört zum Oberlandesgericht Stuttgart seit 1953 eine Verwaltungsabteilung, die in der Justizverwaltung die Stellung einer Mittelbehörde einnimmt. Zu deren Zuständigkeitsbereich gehören neben dem Oberlandesgericht Stuttgart selbst acht Landgerichte, 56 Amtsgerichte, die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart und acht Staatsanwaltschaften sowie noch bis Ende des Jahres 2017 234 Notariate. Hinsichtlich der Generalstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaften beschränkt sich die Zuständigkeit auf die Personalverwaltung (mit Ausnahme der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, für die das Justizministerium zuständig ist). Der zu verwaltende Personalbestand (Stand September 2017) beläuft sich auf ca. 750 Beamte des gehobenen Justizdienstes (Rechtspfleger), ca. 300 Gerichtsvollzieher, ca. 850 Beamte des mittleren Justizdienstes (Justizfachwirte), ca. 270 Beamte des mittleren Justizwachtmeisterdienstes sowie ca. 3.000 Justizangestellte. Jährlich werden etwa 400 Rechtsreferendare und 90 Anwärter für die Laufbahnen des gehobenen Dienstes sowie ca. 100 Justizfachangestellte ausgebildet. Das dafür zur Verfügung stehende Personalbudget beträgt pro Jahr 177 Millionen Euro. Durch die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel für die o.g. Gerichte wird eine weitere Grundlage für einen funktionsgerechten Geschäftsablauf geschaffen. So wirkt die Verwaltungsabteilung bei der Aufstellung des Haushaltsplans für das Land Baden-Württemberg mit, legt die Höhe der Budgets für die einzelnen Dienststellen fest (dezentrale Budgetverantwortung) und organisiert zentrale Beschaffungen. Zusammen mit dem Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg sorgt sie weiter für eine sachgerechte Unterbringung der Behörden.

 Am 1. Juli 2014 hat das IuK (Informations- und Kommunikationstechnik)-Fachzentrum Justiz, welches beim Oberlandesgericht in Stuttgart als eigene Abteilung angesiedelt ist, seine Arbeit aufgenommen. Es ging aus der „Gemeinsamen DV-Stelle Justiz“ hervor, welche bereits 1990 gegründet worden war und die Justiz-IT für die Ordentliche Gerichtsbarkeit und die Staatsanwaltschaften von Anfang an begleitet hatte. Das IuK-Fachzentrum Justiz ist als zentraler Ansprechpartner für sämtliche IT-Fragen sowie die Hard- und Softwareausstattung der gesamten Justiz in Baden-Württemberg und damit für die Gerichte, Staatsanwaltschaften, Zentralen Grundbuchämter und den Justizvollzug zuständig. Neben der Pflege der bisherigen Fachverfahren entwickeln im IuK-Fachzentrum Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Justiz eine zukunftsfähige IT-Landschaft, in welcher der elektronische Rechtsverkehr und die elektronische Akte zum Alltag gehören werden. Das IuK-Fachzentrum Justiz verfügt über Außenstellen in Karlsruhe und Rottenburg.

 Weitere Informationen zum Oberlandesgericht Stuttgart und seiner Geschichte finden Sie

hier (www.olg-stuttgart.de).

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